Wenn der Mensch glaubt, die Natur korrigieren zu müssen, ist es jedesmal ein nicht wiedergutzumachender Fehler. Es sollte nicht einer Gemeinde zur Ehre gereichen, wieviel selbstgewachsene Natur sie zerstört, sondern es sollte vielmehr für eine Gemeinde Ehrensache sein, soviel wie möglich von ihrer natürlichen Landschaft zu schützen. Der Bach, der Fluß, der Sumpf, die Aulandschaft in ihrer gottgewollten Beschaffenheit müssen uns heilig und unantastbar sein.

Bachregulierungen bringen nur Böses, was uns teuer zu stehen kommt: Absinken des Grundwassers, Absinken der Waldgrenze um bis zu 100 Meter, Versteppung großer Gebiete, kein Regenerieren des Wassers, das zu schnell abfließt. Die Aulandschaft kann ihre Schwammtätigkeit – Aufsaugen von zuviel Wasser und langsames Abgeben bei Trockenheit wie eine gute Sparkasse in Notzeiten – nicht mehr erfüllen. Der regulierte Bach wird zum Abwasserkanal. Fischsterben und keine Fische im Bach, weil sie nicht durch den regulierten Kanal können. Hochwasser mit verheerenden Folgen erst recht nach der Regulierung, weil zuviel Wasser zu schnell abfließt, in großen Mengen zusammen kommt, ohne von der Erde und der Vegetation aufgesaugt und abgefangen werden zu können.

Nur ein hoch- und unregelmäßig fließender Bach mit baumbestandenem Ufer kann reines Wasser erzeugen, den Wasserhaushalt regulieren und den Fisch- und Tierbestand erhalten zum Nutzen des Menschen und seiner Landwirtschaft. Jetzt, fast zu spät, erkennt man diese uralte Weisheit, sprengt einbetonierte, geradlinig gemachte Fluß- und Bachläufe, um den vorherigen unregelmäßigen Zustand wiederherzustellen. Welch Ironie! Warum also den Bach regulieren, wenn man ihn nachher wieder entregulieren muß?

Hundertwasser, Mai 1990

Quelle:

© Friedensreich Hundertwasser – texte und manifeste,
hundertwasser gemeinnützige privatstiftung
– hundertwasser Archiv wien